Kunstraum Memphis freut sich, die Ausstellung „Porteurs et Peintures“ zu präsentieren, die erste Einzelausstellung der französischen Künstlerin Béatrice Balcou in Österreich. In Performances, Skulpturen und Installationen schafft Béatrice Balcou Situationen mit innovativen Ausstellungsritualen, die dazu einladen, über unser Verständnis von Zeit und unseren Blick auf Dinge – insbesondere Kunstwerke – nachzudenken. Im Fokus von Balcous Arbeit stehen die Materialität des Kunstwerks, das Verhalten der Betrachtenden sowie unser Verhältnis zum Wert und zur Rolle der Kunst heute. In ihren Werken kommt es zu Begegnungen zwischen Institutionen, Künstler*innen und Publikum, die von Qualitäten wie Langsamkeit, Aufmerksamkeit und Konzentration geprägt sind – Eigenschaften, die im Widerspruch zur heutigen, von Schnelllebigkeit und Spektakel besessenen Realität stehen. Nüchtern und mit großer Präzision inszeniert die Künstlerin die Zirkulation von Blicken und Bildern in der Ko-Präsenz mit Kunstwerken.
Wie der Titel schon andeutet, vereint die Ausstellung „Porteurs et Peintures“ Werke aus zwei Serien, „Recent Paintings“ und „Porteurs“, die ein gemeinsames Anliegen haben: sie beleuchten eher verborgene Aspekte, die im Leben eines Kunstwerks eine Rolle spielen. Die an Staffelstäbe erinnernden Glasobjekte „Porteurs“ (produziert bei CIRVA, Marseille) sind im wahrsten Sinne des Wortes Träger. In ihrem Inneren befinden sich Reste künstlerischen Materials, die sowohl von spezialisierten Restaurator*innen als auch von Balcou selbst bei anderen Künstler*innen gesammelt wurden. Indem sie diese Überreste wie weltliche Reliquien präsentieren, verweisen „Porteurs“ auf die vielfältigen Prozesse der Pflege von Kunstwerken, insbesondere die geduldige und sorgfältige Arbeit von Techniker*innen, Restaurator*innen oder Konservator*innen, die für die Erhaltung von Kunstwerken verantwortlich sind. Darüber hinaus hat die Künstlerin kürzlich damit begonnen, der Arbeit eine performative Dimension hinzuzufügen und mit Manipulationen des Werks zu experimentieren, z.B. die Objekte auf Spaziergänge mit Freund*innen oder Kolleg*innen im öffentlichen Raum mitzunehmen oder sie für einen Tag und eine Nacht Nachbar*innen zu überlassen. Während ihres Aufenthalts in Linz führte Béatrice Balcou gemeinsam mit lokalen Künstler*innen einige dieser „Experimente“ durch. Die Erfahrungen, die sie bei all diesen Begegnungen machte, hat sie in Form von kurzen, lyrischen Texten, festgehalten, die an japanische Haikus erinnern und Teil der Ausstellung sind.
Ähnlich wie bei den „Porteurs“ gibt der Titel der zweiten Werkserie in der Ausstellung „Recent Paintings“ nicht den geringsten Hinweis auf die Komplexität des Werkes. Es handelt sich hier um Reproduktionen von Zeichnungen und Gemälden auf Seiten, die monografischen Kunstbüchern entnommen wurden, welche durch Wasser und Zerfall beschädigt wurden. Mithilfe der beiden Papierrestaurierungsstudentinnen der Ecole Nationale Supérieure des Arts Visuels de La Cambre, Mathilde Bezon und Camille Jalu, wurden diese Reproduktionen künstlerischer Arbeiten, u.a. von Agnes Martin, Claude Rutault, William Turner oder Bas Jan Ader, sorgfältig und mit enormem Einfallsreichtum restauriert. Bei einigen Arbeiten sind diese Eingriffe unsichtbar, teils werden sie wiederum geradezu hervorgehoben. Die Serie „Recent Paintings“ verweist somit auf die vielschichtigen Effekte der Konservierungsarbeit, die Kunstwerke im Laufe ihres Lebens verändert, erweitert und transformiert und dadurch „neue materielle Einheiten“ (John Gayer) schafft. Die Arbeit wirft dabei einen ganzen Katalog interessanter Fragen auf, wie z.B. warum man eine Kopie überhaupt restaurieren sollte oder inwieweit mitunter starke konservatorische Eingriffe die Urheberschaft eines Werkes in Frage stellen.
Begleitend zur Ausstellung hat der Kunstheoretiker, Kritiker und Kurator Dr. Klaus Speidel zwei Texte verfasst, die in der Ausstellung aufliegen und hier zum Download verfügbar sind:
→ Klaus Speidel, Engaging and being engaged. A field report on Béatrice Balcou’s Porteurs, 2023
Béatrice Balcou (*1976, Frankreich) lebt und arbeitet in Brüssel. Ihre Arbeiten waren Gegenstand mehrerer Einzel- und Gruppenausstellungen, zuletzt unter anderem: Musée d'art de Joliette (Québec, CA), M Museum (Leuven, BE), Beige (Brüssel, BE), La Ferme du Buisson contemporary art center (Noisiel, FR) Exile (Berlin, DE), Casino forum d'art contemporain (Luxemburg, LU), A tale of a tub (Rotterdam, NL), Rozentraat (Amsterdam, NL), Jeu de Paume (Paris, FR), Fondation CAB (Brüssel, BE), Villa Kujoyama (Kyoto, JP), Salle Principale (Paris, FR), FRAC Ile-de-France (Paris, FR), FRAC Franche-Comté (Besançon, FR), FRAC Bretagne (Rennes, FR), FRAC Corse (Corte, FR), FRAC Champagne-Ardennes (Reims, FR), kunthalle (Recklinghausen, DE), Société (Brüssel, BE), galerie Jaqueline Martins (Brüssel, BE), Palais de Tokyo (Paris, FR), WIELS (Brüssel, BE) und Centre Pompidou (Paris, FR). Ihre Werke befinden sich in den Sammlungen des CNAP (Paris, FR), des Centre Pompidou (Paris, FR), des CIRVA (Marseille, FR), des Cera-M Museum (Leuven, BE), Fondation CAB (Brussels, BE), Kunsthalle Recklinghausen (DE) und mehreren FRACs (FR).