The Digest ist ein neues Format von Pickle Bar, einem gemeinnützigen Projektraum für Forschung, Performance und diskursive Formate. The Digest ist eine stetig wachsende Bibliothek, die sich der Erforschung von Sprache in Communities und Diasporas im eurasischen Raum widmet. Das Format zielt darauf ab, das performative Potenzial und das Wesen des Lesens, Lesemethoden und bevorzugte Leseorte zu erkunden. In einer Zeit, in der neue Technologien unseren Zugang zum Lesen und zu Büchern verändern, regt The Digest dazu an, Lesen als kollektive Praxis zu begreifen, in welcher Geschmäcker und Texte konsumiert werden.
Im Lauf der Geschichte wurde Sprache oft systematisch als Waffe eingesetzt, um Kontrolle auszuüben und Zugehörigkeit zu delegitimieren. The Digest erforscht Sprachimpulse, die von Künstlern*innen, Dichter*innen, Schriftsteller*innen und Aktivist*innen ausgehen und beleuchtet Prozesse der Anpassung und der Evolution – vom Slang bis zur queeren Linguistik – inmitten geopolitischer Veränderungen und kultureller Umwälzungen.
The Digest beinhaltet Werke aus dem Arbeitszyklus "Pickle Politics", in dem sich das Künstler*innen-Kollektiv Slavs and Tatars mit Praxis und Symbolik der Fermentation befasst und politische Statements aus Begriffen des Verrotteten, Verdorbenen und Vergorenen kreiert. Denn Slavs and Tatars sehen im Prozess der Fermentation nicht weniger als die Auflehnung gegen die Aufklärung und ihr Erbe, das binäre Denken.
In der Szenografie eines Leseraums verbindet das Format die ungewöhnlichen Gefährten Fermentation und Bücher miteinander. Eine Auswahl über Jahre gesammelter Forschungsmaterialien wird erstmals im Kunstraum Memphis präsentiert.
Zur Eröffnung wird Olia Sosnovskaya die Performance Citing sources zeigen, deren Ausgangspunkt Beobachtungen sind, die die Künstlerin in der Nationalbibliothek von Belarus bei einer Recherche zu Konzepten sozialistischer Festveranstaltungen in Büchern, Texten und Bildern machte. Diese Themen überschneiden sich mit ihren Erfahrungen im Rahmen der jüngsten und anhaltenden Anti-Regierungs-Proteste in Belarus. Die Performance spürt der Beziehung zwischen Sprache und Bewegung, Ereignis und Dokument, Affekt, Partitur und dem Politischen nach. Der Begriff „Partitur“ ist hier sehr weit gefasst und bezeichnet jedes grafische oder textliche Material, das eine Aktion beschreibt und dazu aufruft. Sie operiert mit multiplen Zeitlichkeiten: die Vergangenheit der Spur einer Bewegung, die Zukunft der ständig imaginierten Aktion, die gegenwärtige Geste einer Leser*in.