Huda Takritis Ausstellung Turning Narratives: In Rehearsal erkundet zwei unterschiedliche, aber miteinander verbundene Werkkomplexe. Im Video On Another Note kehren Takriti und ihre Mutter zu einem Fotoalbum der Familie zurück. Dort begegnen sie Takritis Großmutter, die selbst Künstlerin war. Sich weigernd die Vergangenheit der Familie und die Weltgeschichte, in die sie eingebettet ist, abzuschließen, suchen sich stattdessen nach dem, was sonst noch in den Bildern schimmert; nach bisher ungesagten Teilen der Erzählung. In der Fotoserie Against Nostalgia inszenieren und verdecken zwei behandschuhte Hände Teile von Postkarten aus der französischen Kolonialzeit in Algerien. Sowohl das Video als auch die fotografische Arbeit beinhalten den Akt des Betrachtens und der buchstäblichen Hand habe von Bildern. Bilder werden beispielsweise gedreht und gewendet, ihre Farbenwerden invertiert oder in Schwarz-Weiß übertragen. Es wird nach ihren schwachen Signalen gesucht und nach dem, was außerhalb des Rahmens liegt.
Auf diese Weise ergründen diese Arbeiten – und Takritis Praxis im Allgemeinen – den Status von Bildern und werfen Fragen auf wie: Wie kommt es dazu, dass Bilder Geschichte repräsentieren? Was lässt sich mit ihnen anfangen, insbesondere wenn sie im Dienst eines kolonialen Regimes entstanden sind? Können solche Bilder gegen sich selbst gewendet und für einen alternativen Zugang zur Vergangenheit genutzt werden? Wohin können wir uns mit ihnen bewegen?
Huda Takriti hinterfragt Institutionen wie die Disziplin der Geschichte oder das Archiv. In ihrem Werk geht es auch um Kategorien: Was bringen sie ans Licht, was verdecken sie? Anstelle starrer, abgeschlossener Kategorien bietet Takriti Vehikel, mit denen sich Raum und Zeit durchqueren lassen. Die Betrachtenden können in diese einsteigen, reisen, und dabei erkennen, dass die Vergangenheit weder tot noch vergangen ist – und so ein kritisches Bewusstsein für ihre eigene Betrachtungsweise und ihre Position in dieser geteilten Welt entwickeln.
Huda Takriti (geb. 1990 in Syrien, lebt in Wien) überlagert in ihren Videoarbeiten und Collagen persönliche und nationale Narrative und versucht so, Lücken im historischen und nationalen Gedächtnis aufzuzeigen. Derzeit promoviert sie an der Akademie der bildenden Künste in Wien, wo sie den Aspekt der archivarischen Auslöschung im Zusammenhang mit den (Lebens-)Geschichten von Freiheitskämpferinnen aus dem Nahen Osten in Zeiten des bewaffneten antikolonialen Kampfes untersucht. Dabei hinterfragt sie die Konstruktion und Produktion historischer Narrative sowie das Potenzial, das Kontamination als Mittel zur Überwindung von Archivlücken haben kann. Ihr Bachelorstudium an der Fakultät für Bildende Kunst in Damaskus, Syrien, schloss sie 2012 ab; das Masterstudium absolvierte sie am TransArts-Department der Universität für angewandte Kunst Wien im Jahr 2020. Ihre Arbeit wurde mit mehreren Stipendien und Preisen ausgezeichnet, darunter der Vordemberge-Gildewart-Preis (2022), der Preis der Kunsthalle Wien (2020) und das Camargo Foundation Fellowship (2023).
Zur Ausstellung erscheint ein begleitender Text der Kulturwissenschafterin und Kuratorin Andrea Popelka.